4 – Inseln im Wind

Der Tag der Inseln…Gleich nach dem Frühstück geht es los, wir teilen uns zu dritt ein Auto, die Parkplatzsituation hier ist nervend und teuer. Der Hafen ist im rund 40 Kilometer entfernten Milazzo, was sich als wesentlich größere Stadt herausstellt, als gedacht. Mich erinnert sie an Vigo in Spanien. Nur, dass Milazzo flach ist. Das Auto bleibt Im Parkhaus, aber diese Leute wollen den Schlüssel nicht abgeben, was aber nötig ist, weil ein Angestellter die Autos an einem anderen Ort parkt und zur verabredeten Zeit wieder zurückfährt. Mir ist der Misstrauenszirkus etwas peinlich, aber schließlich haben wir es hinter uns.


Das Schiff der Gesellschaft Tarnav ist ziemlich groß, aber nicht besonders schön, es hat auch zu wenig Plätze an Deck. Ich bleibe drin, da ist es ganz angenehm -die Fenster sind geöffnet- und leerer. Alle tragen Masken (außer draußen), das ist hier keine Diskussion, bei Einsteigen wird Fieber gemessen. Die Fahrt zur ersten Insel dauert fast anderthalb Stunden. Die unverständlichen und recht lustlos vorgetragenen Erklärungen der Reiseleitung über Bordfunk nutzen nichts. Also nutz ich die Zeit und mache mich schlau.


Die sieben bewohnten ( und etlichen kleinen) Äolischen Inseln liegen im Thyrennischen Meer im Norden von Sizilien. Rund 13.800 Menschen leben dort. Das Inselarchipel sind vulkanischen Ursprungs, die Vulkane auf Vulcano und Stromboli sind noch aktiv. Ihren Namen hat die Inselgruppe übrigens von den alten Griechen, die hier den Sitz des Windgottes Äolus sahen. Auch Odysseus hat es bei seinen Irrfahrten hierher verschlagen. Das klingt sehr… sagenhaft. Kann man sich aber gut vorstellen, wenn man die Inseln da draußen so windumtost sieht. Heute gehören sie zum Weltnaturerbe, weil hier besonders zu den regen Vulkanischen Vorgängen geforscht wird.


Panarea, unser erstes Ziel, ist die größte der Inseln. Die felsige Küste ist teilweise vom Meer aus sehr spannend anzusehen, da hier schroffe und schöne Felsklippe direkt vor der Küste liegen. Die Insel ist ein großer Berg – so wirkt sie zumindest von Weitem. Der einzige Ort auf Panarea ist steil an den Berg gebaut. Er ist sehr hübsch: Enge gewundene, steile Gassen, alles in Weiß mit schönen Pflanzen und Bäumen. Die Häuser sind liebevoll gepflegt. Eine gelbe Kirche thront hoch am Hang. In Hafennähe gibt es etliche Restaurants, denn hier gibt es auch relativ viel Tourismus. Ansonsten wohnen hier wohl außer den Ureinwohnern vor allem Aussteiger.
Die Strände sind dunkel, aber liegen etwas weiter ab. Natürlich kann man auch neben dem Hafen baden , aber das ist wenig idyllisch. So werden auch die reichlich vorhandenen Felsen als Badeklippen genutzt. Mir klebt alles nur so am Leibe von dem bergigen Ortsrundgang bei der Hitze. Am liebsten wäre ich noch in die berühmteste Badebucht am Punta Milanezze gewandert, die schon zur Bronzezeit besiedelt war, aber dafür ist die Zeit doch etwas knapp. Also – wenigstens einmal in dieses kristallklare Meer…
Weil ich nicht am Hafen Schaubaden für die in den Restaurants herumsitzenden Touris machen will, wandere ich ein wenig auf einem halbhohen Rundweg entlang, bis ich unten eine Felsecke entdecke, wo sich schon ein paar Leute zum Baden versammelt haben. Genau, was ich suche. Eifrig kletterte ich über die gut begehbaren trockenen Felsen, finde auch noch ein Eckchen für meine Sachen und kann es gar nicht erwarten, in dieses wunderbare, leuchtend blaue Meer zu kommen.


Nur leider habe ich dabei nicht gesehen, dass der letzte Felsen des Plateaus gelegentlich überspült wird…Ich habe nur noch gemerkt, wie beide Beine wegrutschen und den Kopf hochgerissen – wenigstens das. Die Landung war heftig, aber glimpflich. Nur nicht für meinen linken Fuß. Der blutet überall. Ein kollektiver Aufschrei der kleinen Schwimmergemeinde. Heldenhaft winke ich ab und springe erst mal ins Wasser. Auch, weil das den Schmerz bessert. Langer Rede, kurzer Sinn – mein Talent für kleine Zwischenfälle hat wieder gegriffen. Ich humple barfuss, eine rote Fährte hinterlassend, zurück, um mir Verbandszeug zu besorgen. Tja , wir sind in Sizilien: Bis halb fünf ist Mittagspause…und das Schiff dann schon wieder unterwegs. Das einzige, was ein Souvenirladen zu bieten hat, sind winzige Pflaster. Aber mit Hilfe einiger Tempotaschentücher geht es schon.

Next Stop: Stromboli. Die jüngste Vulkaninsel, vielleicht auch deshalb ist der Feuerspucker hier noch besonders aktiv. Mit Glück werden wir das am Abend sehen. Aber erster Stopp : Der Haupthafen in dem Ort Stromboli, der um die 500 Einwohner hat. Es gibt noch eine kleine Siedlung auf der Rückseite der Insel. Der Hafen ist ebenso unspektakulär wie hässlich. Der angrenzende Strand – wie erwartet: schwarz. Das ist schon gewöhnungsbedürftig – wurde uns doch seit Generationen anerzogen: Weiß ist sauber, schwarz schmutzig. Aber eigentlich liegt der ungute Eindruck auch daran, dass dieser Strand hier in keiner Weise schön ist. Es liegt irgendwelches kaputtes, altes Zeug herum, Steine, Unkraut. Der Kies tut nackten Füßen zudem unangenehm weh. Jedenfalls löst nichts den Wunsch aus, sich da einen schönen Strandnachmittag zu machen


Die Reiseleitung hat keine Tipps gegeben, wo es schön ist, Hinweisschilder gibt es keine. Oben am Berg ist das Dorf mit der unvermeidlichen Kirche zu sehen. Alle folgen der Straße an der Küste entlang. Nach einer langweiligen knappen halben Stunde erfahren wir von einem Einheimischen, dass da nichts mehr kommt. Toll. Auf dem Rückweg begegnen wir noch ganz vielen Leuten, die ebenfalls wie die Lemminge in die falsche Richtung laufen, darunter viele Ältere mit Gehhilfen. Langsam regt es mich auf, dass weder die Inselgemeinde, noch die Reiseleitung dafür sorgt, dass man sich orientieren kann.


Meine Begleiter sind sauer und wollen gar nichts mehr, außer sitzen. Ich schütte einen halben Liter kalte Flüssigkeit in mich hinein und mache mich doch noch mal auf – schließlich brauche ich immer noch dringend eine Apotheke. Die winzige Gasse, die steil nach oben führt, haben die meisten Inselunkundigen einfach übersehen.


Leider schon etwas in Zeitdruck, stürze ich die sich schlängelnde Gasse hoch, die überall von weißen Mauern eng begrenzt ist, überragt nur hier und da von blühenden Bäumen und Oliven. Es gibt hier kleine, liebevoll gestaltete Geschäfte, ein paar nette Restaurants. Ganz oben – eine kleine Piazza mit Kirche und einer Pizzeria. Und ein besserer Souvenirladen – mit integrierter Apotheke, die aus zwei Regalen besteht. Was ich wirklich brauche, gibt es nicht, aber ich nehme, was ich kriegen kann. Der Ort hat eine sehr eigene Atmosphäre, mancher mag sie durch die Enge vielleicht etwas klaustrophobisch empfinden. Oder gemütlich…


Zwischen den Häusern durch sieht man linksseitig den Vulkan aufragen, der von hier einfach nur wie ein riesiger, kegelförmiger Berg aussieht. Aber – die Luft riecht nach Schwefel. Eindeutig. Ich hoffe nur, dass wir am Abend wirklich Glück haben und etwas sehen können. Ansonsten hätte sich die Tür nicht besonders geloht. Ein Ausflug auf eine ganz nette Insel und eine eher…überbewertete, wären nicht viel für den Aufwand an Zeit und Geld. Ich besorge mir in einer Pizzeria noch ein paar Arancchini, das sind gefüllte und frittierte Klößchen , ähnlich den brasilianischen Coxinhas. Und zum Abschied sagt de Pizzaiolo doch tatsächlich: „Chiao, bella“! Das wollte ich schon immer mal hören! So ganz in echt…


Aber endlich ist die viel zu lange Pause von dreieinhalb Stunden, in denen man nicht viel machen kann, um. Es geht wieder auf das Schiff, dass jetzt vorbei an einigen wirklich schönen Felsnadeln, auf die Rückseite von Stromboli fährt – wo ich mit Glück den ersten aktiven Vulkan in meinem Leben sehen werde. Einige haben inzwischen im Internet gegoogelt und vernichtende Kritiken zu dieser Tour gefunden: „Alles Verarsche“, war der Tenor derer, die am Ende nicht mehr als ein winziges Rauchfähnchen gesehen haben…


Die Sonne geht malerisch und fotogen neben einer Felsinsel unter. Endlich ist es dunkel genug und das Schiff hat seine Position erreicht. Alle starren in dieselbe Richtung, Ober- und Vorderdeck sind so gar nicht Coronagemäß voll. Aber mit Masken…


Ein kollektives OOohhhhh! Es qualmt und raucht immer mehr aus der Spitze des Berges und dann züngelt tatsächlich Feuer auf! Nun starren alle gebannt weiter in die Richtung, auch als das kurze Schauspiel vorbei ist. Und tatsächlich haben wir nach gut zehn Minuten Starrens noch drei weitere Male das Glück, die Feuerteufel von Stromboli bei der Arbeit zu sehen! Ich muss sagen, ich bin schon beeindruckt. Denn auch, wenn die Flammen klein und von kurzer Dauer sind, springt meine Phantasie sofort an und ich stelle mit die ungeheuren Kräfte dahinter vor. Diese Hitze aus dem Mittelpunkt unserer Erde. Man wird schon etwas demütig angesichts der Naturgewalt….