02 San Antonio/Texas II

Liebe Güte- wie die Zeit vergeht! Da sitze ich schon wieder im Auto, und wir düsen endlose Highway-Meilen durch Texas nach Osten Richtung Louisiana. Will sagen, San Antonio ist Geschichte – zumindest für diese Reise. Dabei bin ich noch gar nicht dazu gekommen, Teil 2 des SA-Kapitels aufzuschreiben. In den letzten Tagen haben wir zwar viel Zeit unserem Laufabenteuer gewidmet, das allerdings ist unter eigener Überschrift zu lesen, unter special interest sozusagen.

Aber daneben haben wir uns natürlich auch eifrig als Touristen – oder soll ich sagen Voyeure texanisch-amerikanischen Lebens betätigt. Unsere Streifzüge durch die Stadt haben uns z.B zum Market Place geführt, im westlichen Teil von Downtown. Ja, und das ist auch nochmal so eine richtige Touri-Ecke, aber eine, die wirklich hübsch anzuschauen ist. Market Place besteht aus zwei Markthallen und einem Boulevard dazwichen mit Kneipen, Buden und einer kleinen Open Air-Bühne. Uns das alles auf mexikanisch. Wow, das sind mal Farben!! Hier wird alles angeboten, von Kitsch bis Kunsthandwerk, und alles knallbunt. Fast alle, die hier arbeiten, sprechen besser spanisch als englisch, und die Beschallung schwelgt, jammert und juchzt auch nach bester Mariachi-Manier. Am schönsten anzuschauen sind die Keramiksachen, schade,dass die einfach zu schwer sind … 23kg sagt die Airline und basta. Übrigens, der hier favorisierte T-Shirt-Aufdruck ist „I don´t asked to be mexican – i´m just happy“, soviel Nationalstolz ist dann doch geblieben. Aber mir hat ein Plakat im alten Steckbrief-Stil besser gefallen. Darauf zeigt ein furcherregender, bärtiger Gaucho auf den Betrachter, unterschrieben mit „I want you! For the mexican revolution!“

Ein anderer Streifzug führt uns auf der Suche nach verdaulicher Kost zu einem Sushi-Lokal, dem Tokyo Inn, nach Norden. Erst dachten wir, der Laden ist zu. Dunkel, verhangene Fenster, wären da nicht die verräterischen Autos auf dem Parkplatz. Und wieder ein Treffer für unsere kulinarische Wünschelroute! Der Laden ist proppevoll, viele Japaner. Das Essen ist echt lecker, liebevoll angerichtet und bezahlbar! Allerdings sorgt die Einrichtung bestimmt dafür, dass nicht jeder den Mut aufbringt, hier rohen Fisch zu essen: Der Laden wurde 1975 eröffnet, billig eingerichtet, und seitdem sind Generationen Hungriger hier eingefallen, ohne das jemals was erneuert worden wäre: ein abgetretener , siffiger Teppich, bröckelnde Isoliermasse aus der Styropur-Wandverkleidung, aufgeplatzte Vinylsessel , um nur mal den Gastraum ansatzweise zu beschreiben, von anderen Räumwn rede ich lieber nicht. Und die Krönung ist die asthmatische Klimaanlage, die alles in Eisluft taucht – im 10 Minuten-Takt ziehe ich meine Jacke an und aus, je nachdem, ob der fauchende Drachen gerade anspringt oder ausgeht.

Ausgesprochen der Ortskenntnis förderlich ist die Suche nach einem auch nach europäisch snobistischen Maßstäben genießbaren oder gar leckerem Frühstück! Nach zwei Tagen von pappigen Sandwiches, Hoachies oder ähnlichem verkleistertem Magen und der Weigerung, bei Danny´s, McDonald´s etc. einzukehren, haben wir uns dann doch ins Auto gesetzt, um die Umkreissuche auszuweiten. Broadway … klingt gut. Auf der Suche nach einem Supermarkt ist mir hier ein „Coffeeshop 24 hours“ aufgefallen, kuschelig gelegen gleich hinter einem mehrfachen Autobahnkreuz. Wir finden den „Pig Shop“ auf Anhieb.

Davor parken einige sehr merkwürdige Bikes, alle mit seltsamen Gestalten auf dem Rücksitz: Pink Panther etwa oder Miss Piggy oder eine vollbusige Dame mit Totenschädel, alle gut vertäut. Oha, wer gehört da wohl auf den Bock dieser Harleys? Die Sache klärt sich schnell: Wir betreten einen Laden im besten Fifties-Design: eine lange Sitztheke  und ansonsten Sprelacard-Tische und wundervolle gepolsterte Glitzer-Vinylstühle in rot, blau und grün. Ein paar dickliche, ältere Kellnerinnen tragen soeben mächtige Südstaaten-Frühstücke mit Maisgrütze, Pancakes, Bacon, Bergen von Eiern und Hashbrowns (eine Art Bratkartoffeln gerieben) auf. Und die Hungrigen sind die Harleybesitzer höchstpersönlich: Rocker und eine Rockerbraut so zwischen 60 und 70 Jahre alt, in perfektem Styling! Wie Kino! Und wir mittendrin! Zwar wird nun nix aus Espresso und Baguette, aber das Südstaaten-Frühstück in abgespeckter und abgegrützter Form ist lecker und der Unterhaltungsquotient hoch. Ausserdem hat noch jeder Tisch eine Filiale der zentralgesteuerten Music Box, an dem man vom Tisch aus seine Musik anwählen kann. Boah eh! Aus den vergrößersten Zeitungsartikeln über dem Tresen lernen wir noch, das dies ein Anleger des erstenDrive-Ins der USA in den 50ern ist und das die Onionrings in Texas erfunden wurden. Der fette Gormetkritiker auf dem Foto starrt durch zwei jener Zwiebelringe und erklärt „Ich habe nichts mit naturbelassenem Essen am Hut! In meinem Alter erwartet man gut durchgegarte Speisen.“ Mahlzeit !

Das bringt mich darauf, wie fasziniert und entsetzt ich hier immer wieder bin ob der nationübergreifenden Fettleibigkeit! Und irgendwie glaube ich, es wird immer schlimmer. Nirgendwo auf der Welt – die ja allgemein prozentual immer fetter wird, habe ich soviele Super-Korpulente (das war jetzt mein Versuch, mich politisch korrekt auszudrücken) gesehen. Zwei-Zentner-Wesen gelten da noch als Anfängerlevel. So viele Menschen, die nicht mehr gehen können, bestenfalls aus ihrem Riesenauto in einen motorisierten Wagen plumsen, um im Supermarkt neue Fastfoodberge und 5kg-Eispackungen nachzuladen! Junge Mädchen, bildhübsche Gesichter, aber den Körper böswilliger Karikaturen. Ganz zu schweigen von den älteren Homo Sapiens dieser Spezialausführung. Und im Fernsehen wirbt eine nach altmodischen Maßstäben ebenfalls stark Übergewichtige dafür, sich doch endlich gesund zu ernähren, mit echtem Gemüse und so … Nee, tut mir leid, das ist einfach ein schauerliches Kapitel des American Way of Life.

Und wo ich ja gerade am geifern bin: Oh, mein Gott: dieser Abfall-Wahnsinn!!! Wir werden ja schon bald im Plastikmüll versinken, aber vorher ist Amerika längst darunter begraben. Nichtmal in den „besseren“ Cafés, die italienische Espressomaschinen haben, kann man einen Kaffee in einem wiederverwendbaren Gefäß bekommen. Nein, um den Plastikbecher wird sogar noch ein dicker Pappring gestreift, damit man sich die Finger nicht verbrennt. Das Sandwich wird nicht nur auf einem Wegwerfteller serviert, sondern es wird nochmal extra in Papier verpackt, Soßen, Ketchup etc. dann noch in extra Plastiknäpfchen. Das eingeschweißte Plastikbesteck dazu ist dann nochmals zusammen mit Zucker und Süsstoff und Coffee Creamer (egal , ob man das alles will) in eine weitere Tüte eingeschweißt usw. usw.

Genau wie der Energiewahnsinn: Nicht nur, dass man sich jedesmal fragt, wenn man bei jedem Autohändler nicht Dutzende, sondern mehrere hundert neue Kisten stehen sieht, wer die noch alle kaufen soll … Ein Beispiel: Wir kommen in San Antonio nachts an, mieten uns in einem Motel ein. Wir bekommen eins von etlichen leerstehenden Zimmern. Tür auf: Eiseskälte – die Klimaanlage läuft auf vollen Touren, wie lange? Seit Tagen? Wir wechseln das Zimmer, weil ich nicht ebenerdig direkt an der Einfahrt schlafen will. Dieselbe Eiseskälte. Und sogar als wir schon dort wohnen und das Ding tagsüber ausmachen, wenn wir weg sind – nein, die Zimmermädchen schalten es wieder auf volle Pulle! Offensichtlich Anweisung des Managements … Mann-o-mann, da hat Obama aber noch ganz schön zu tun, so als Vorreiter-Kämpfer gegen den Klimawandel …

So, genug aufgeregt. Aber das gehört eben unter die Rubrik: mein schwerwiegend zwiespältiges Verhältnis zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten!

Zum Schluss für heute aber noch was Positives: Die Menschen, denen wir hier in Texas begegnet sind, waren alle unglaublich freundlich. Auch außerhalb des Haifischgrinsens der Verkäufer und Restaurant-Werber! Höflich, freundlich und hilfsbereit, ganz den alten Südstaatentraditionen folgend. Wirklich sehr angenehm! Allerdings sollte man sich nicht allzu oft hinreißen lassen, über heikle Themen wie Waffenrecht, Krieg, Welt- oder Sozialpolitik zu reden, wenn man nicht weiß, wen man vor sich hat. Das kann hier unangenehm werden. Aber das habe ich schon lange gelernt.

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Ein Gedanke zu „02 San Antonio/Texas II“

  1. Das hört sich ja spannend an, kann ich noch eben nachkommen? Hier nimmt die Arbeit kein Ende und das schöne Wetter erst gar keinen Anfang.

    Macht Euch noch eine schöne Zeit mit vielen spannenden Erlebnissen und wenn du die Möglichkeit hat noch mehr Fotos einzubinden, würde mich dass freuen!

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