Das ist ein echtes kleines Runner´s Special wert! Eine Woche nach dem großen Rennen von San Antonio bleibt natürlich vom Marathon-Schmerz nur noch der Ruhm und die gute Laune. Zeit, die Laufschuhe wieder einmal zu schnüren. Dank Jetlag klappen die Äuglein trotz längerer Abende immer noch kurz nach sieben auf. Den kleinen Morgemuffel neben mir sanft geschüttelt und in nettesten Tönen von dem Projekt überzeugt, ein Mini-Imbiss und: Start in der ersten wunderbaren Morgensonne. Erst ein Stück durch Treme, das nette Viertel hinter dem Hotel, dann durch den noch völlig verlassenen Louis Armstrong Park und anschließend quer durch das French Quarter. Die Touristen schlafen alle noch, die meisten Bewohner wohl auch, die einzigen Menschen, die die stillen Gassen bevölkern, sind Lieferanten, Straßenkehrer und und ein paar Kellner auf dem Weg zur Arbeit. Ein Sprühfahrzeug hat gerade die Bierseeligkeit der letzten Nacht weggespült und der Jackson Square, der tagsüber von Straßenkünstlern, Malern, Pferdekutschen und Touristen bevölkert ist, hat nur auf uns gewartet. Vor einem Restaurant ruft mir der Kellner zu, wir sollten uns doch lieber erstmal mit Kaffee und Beignets stärken … Und dann: Rauf auf den Deich zum Mississippi.
Good Morning, Old Man River! Selbst der scheint noch zu schlafen. Die berühmte Natchez, der alte Missisippi-Raddampfer, ruht sich gut vertäut von seinen nächtlichenen Jazz-Steamboat-Tours aus. Auf den Bänken sitzen ein paar wenige frühe Vögel mit Zeitungen und Kaffeebechern ausgestattet und blicken kaum auf. Aber vor allem Obdachlose genießen hier die Morgensonne nach der kühlen Nacht. Mit einem kleinen Unbehagen laufe ich auf eine Gruppe zu. Aber die drehen sich grinsend zu mir um, heben den Daumen: „Hi Babe! Have a good day!“ Oh, das hatte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet. Auch die nächsten beiden, diesmal ältere Schwarze, winken mir gut gelaunt zu „Good morning, Lady“ Der Südstaatencharme reicht sogar bis hier. Miki ist ein ganzes Stück zurückgeblieben, er kämpft noch mit dem Bettzipfel, aber meine Laune wird immer besser. Als ich den Deich am Ende des Quarters verlassen muss, laufe ich unbehelligt von den Massen, die sich hier in zwei Stunden drängeln werden, quer durch den French Market, wo die ersten Händler ihre Stände vorbereiten. Mein San-Antonio-T-Shirt bringt mir ein paar nach oben gereckte Daumen ein.
Ich verlasse das Viertel und überquere die Esplanade. Eine mit alten Bäumen und weißen Südstaatenhäusern bestandene Avenue, die das Ende des Frech Quarters markiert. Zwei ältere schwarze Straßenkehrer machen mir freundlich lachend Platz. Einer sagt: „Good morning, Mam! You do good? Have a good time!“ „Of course, Sir, a perfect day“, antworte ich. „Ok, than go on: Let the good times roll!“ Wow, wenn das kein Tagesbeginn ist, jetzt kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder? Ich hüpfe förmlich weiter und tauche neben einer großen Umspannstation ins nächste Viertel Foubourgh Marigny ein. Später erzählt mir Miki, dass die beiden ihm zugerufen haben: „Do a good job! She will leave you!“ (Mach einen guten Job, sonst läuft sie Dir weg!). Nee, soviel Spaß am Morgen!
Eine Weile laufe ich am Rand von meinem Lieblingsviertel, dass in den nächsten Tagen noch nähere Erwähnung finden wird, entlang, dann überquere ich die Bahnlinie, hinter der das Viertel Bywater beginnt. Der nächste Coming-up-Stadtteil, der sich hier gerade von einer eher etwas heruntergekommenen Nachbarschaft zum angesagten Wohnviertel für junge Familien und Künstler und Alternative entwickelt, so wie nebenan Foubourgh Marigny. Hier gibts allerhand alternative Subkultur-Orte, aber die schlafen noch, man erkennt sie an den bunten Bemalungen und Installationen. Die Sonne taucht die kleinen Straßen mit den bunten Häusern und blühenden Baumen in ein besonders schönes Licht.
Auf einmal entdecke ich am Straßenrand abgelegt ein paar alte Tapetenrollen. Wir nehmen sie in Augenschein – keine Ahnung, warum. Und plötzlich trauen wir unseren Augen nicht: Auf der einen Rolle sind lustig gezeichnete Marathonszenen! Läufertapete! Das es sowas gibt! Obwohl das olle Ding über ein Kilo wiegt ist klar: Die muss mit! Miki schleppt sie den ganzen Rückweg tapfer – stärkt den Bizeps! Wir genießen das letzte Stück des Weges durch das malerische Viertel und grinsen noch ein paar mal fröhlich links und rechts, dann sind wir wieder am Hotel.
Völlig euphorisiert verkündet Miki: Ich gehe in den Pool! Ich bin völlig überrumpelt von so viel Unternehmerhgeist und schließe mich an. Allerdings wird es ein Superquickie, denn das Wasser ist durch die kalten Nächte eisig!. Das schwarze Zimmermädchen meint nur kopfschüttelnd: You are crazy!
What a wonderful morning! Let´s have a big breakfast!