10 Vietnam: Abgetaucht 1

Diesmal erzähle ich weniger über Land und Leute, sondern ganz uneitel mehr über uns. Und das auch noch mit einiger Verspätung, weil wir so beschäftigt waren, dass ich gerade mal noch abends die noch offenen Kapitel zu Ende schreiben konnte. Aber diese Erinnerungen müssen konserviert werden und außerdem sitzen die werten Sponsoren vor den Computern und erwarten aus verständlichen Gründen genaue Berichterstattung. Also – in medias res!

Am ersten Morgen versetzt uns der Anblick der von der Morgensonne beschienenen Buch in Hochstimmung. Denn schließlich soll es nun losgehen mit dem Projekt „Wir erobern die Unterwasserwelt“. Unsere nette französische Tauchlehrerin erwartet uns schon. Und schon das allein ist ein Privileg: Kein weiter Weg, keine abfahrenden Busse, keine große Gruppe – nur wir zwei, ganz exclusiv. Unterricht 50 Meter neben unserem Bungalow. Diese glückliche Situation haben wir dem Zufall zu verdanken, dass sich keine anderen Anwärter gemeldet haben, was u.a. daran liegt, dass man hier auf der Insel eben etwas teurer wohnen muss als in Nha Trang für sieben bis zehn Dollar pro Doppelzimmer. Gerade für viele junge Menschen ein echtes Argument.

Der Unterreicht findet in Englisch statt, die deutschsprechende Trainerin ist gerade weitergezogen nach Honduras. Obwohl wir flüssig Englisch sprechen, stellt sich heraus, dass das ganz schön hart ist. All die Fachausdrücke und Erklärungen. Und statt Konzentration auf die völlig neue Materie das ewige Übersetzen im Kopf.

Nachden wir uns in die äußerst kleidsamen Neoprenanzüge gequetscht haben, lernen wir, die Ausrüstung in einer ganz bestimmten Reihenfolge zusammenzubauen. Denn erstens ist das wegen der Sauerstofftanks nicht ganz ungefährlich und zweitens kann jeder Fehler schlimmstenfalls lebensgefährlich sein. Ich habe mich selten so konzentriert … Soviel Handgriffe, soviele Begriffe! Dann gibt´s eine erste Unterweisung in Zeichensprache unter Wasser. Noch eine geballte Ladung Infos. Und außerdem jede Menge Erklärungen über Druck, Sauerstoff, Unterwasserphysik, gesundheitliche Risiken, wenn man dies, das und jenes nicht beachtet usw.

Gar nicht so einfach, sich die ganze sperrige Rüstung im Wasser schwimmend anzulegen. Man stakst mit der Last des Gewichtsgürtels, ich habe 7 kg verpasst bekommen, ins Wasser, zerrt die Ausrüstung hinter sich her und soll das dann auch noch auf dem Rücken schwimmend richtig fest angelegen. Und immer sind da die ganzen Schläuche,  die Maske und der Schnorchel im Wege! Das Schwimmen selbst ist zwar kein Akt, da die Weste schon aufgepumpt ist, aber dafür ist sie jetzt super sperrig und geht kaum zu. Auch hier müssen wieder alle möglichen Regeln beachtet werden. Wir bewegen uns grazil wie Seepferdchen, vorallem wenn wir mit den Bleigürteln behangen, rückwärts mit den riesigen Flossen ins Wasser tapsend den ganzen Ballast hinter uns herschleifen. Ich versuche, die  belustigten Blicke zu ignorieren als ein Boot neben uns anlegt und wir Zuschauer haben.

Die Padi-Tauch-Philosophie, ergo auch alle Regeln, gehen davon aus, dass man zu zweit taucht. Und so muss der Tauchpartner vor dem Tauchgang als letztes den anderen noch einmal kontrollieren – nach einer weiteren Checkliste, alles ganz einfach! Aber wie war nun wieder die Formel für den Ablauf um festzustellen, ob der andere auch alles richtig verclipt, verschraubt, angezogen, geprüft hat?? Nichts einfacher als das: Man braucht sich nur BWRAF merken. Dann ist doch alles ganz klar! Oder? Aber was versteckt sich noch mal hinter all den Abkürzungen? Ach ja: BCD, Weight, Releases, Air, Final Check. Alles ganz easy, oder? Mir schwirrt nur so der Kopf und Miki wirkt mittlerweile leicht desorientiert. Ob der wohl schon vor dem Tauchen ein bisschen zu viel Kohlenmonoxyd abbekommen hat? Soll ja Verwirrung hervorrufen …

Gott sei Dank sind wir allein und Vivi, die Tauchlehrerin, ist ist fröhlich und geduldig. So bleibt trotzdem alles locker und wir haben Spaß dabei.

Ich will die Nachwelt nicht weiter mit diesen simplen Schritten langweilen, nur so viel sei gesagt: Der aufregendste Moment war der, als wir dann tatsächlich zum ersten Mal mit dem Kopf unter Wasser abgetaucht sind. Eigentlich kein großes Ding – ich habe schließlich meine Atemmaske gecheckt, alles super! Aber ob die Maske das auch weiß? Oder das Wasser sich nicht doch in meine Lungen ergießt? So richtig traue ich dem Braten nicht und kriege einen Moment Herzrasen und Fluchtreflexe, als die Luft aus meiner Weste entweicht und mich all das Gewicht unter Wasser zieht. Will ich das wirklich??? Ja, ja, ja. Also Luft ´rein, Luft ´raus, immer schön ruhig. Es funktioniert! Call me fishy!! Noch ein paar erste Übungen im flachen Wasser, dann ist die erste Runde schon vorbei.

Bereits zum Mittagessen sind wir fast im gedächtnistechnischen OVERLOAD- Zustand. Mittagspause? Pustekuchen. Oma und Opa haben ihr Programm nicht geschafft, irgendwie waren wir wohl nicht die allerschnellsten … Aber es hilft nix, wir müssen im Wasser nachsitzen und Abläufe üben. Lauter so lustige Sachen unter Wasser wie: Ich verliere meine Maske (Brille) und muss sie nun unter wiederfinden und auch noch das Wasser per Atemluft wieder rauskriegen, oder die Tauchlehrerein dreht mal eben die Luftzufuhr ab, damit man weiß, wie es sich anfühlt. Oder ich erzähle meinem Partner unter Wasser, dass ich keine Luft mehr habe und bitte ihn, mich an seiner Reservestrippe nuckeln zu lassen. Einer rettet den anderen usw. usw.

Feierabend? Denkste. Theorieunterricht. Wir werden vor einen Monitor verfrachtet und kriegen ein drei Stunden Video verpasst sowie endlose Formulare, wo man alles Gelernte dann sofort abfragen und die Fragen richtig beantworten soll. Nichts leichter als dass, wenn man fitter in Englisch wäre und die nicht dauernd in Abkürzungen reden würden. Aber selbst Vivi sieht ein, dass das zu viel ist. Also erst gucken, dann noch mal alles mit ihr ein zweites Mal durchgehen und zum Schluss die Aufgabenbögen ausfüllen. Gerade so schaffen wir es noch, das Abendessen nicht zu verpassen.

Wir liegen um zehn im Bett und fallen ins Koma. Morgen müssen wir wieder früh ´raus …

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