Der silberne Fluss und die Teletubbies

Mein Tag beginnt mit einem einsamen morgendlichen Bad im Pool um halb sieben. Beobachtet werde ich dabei von drei Hühnern und zwei Tukanen oben in einer Palme. Nach dem Frühstück steht wieder ein Auto samt Chauffeurin für uns vor der Tür: Schnorcheln im Rio Prata, beziehungsweise einem Nebenarm, da der Fluss zur Zeit starkes Hochwasser führt.

Diesmal dauert die Anfahrt etwas länger: gute 50 Kilometer über Lehmpisten. Die Fazenda San Francisco schmückt sich mit reichlich Auszeichnungen in Sachen Naturschutz und Aufforstung von abgeholzten Uferwäldern. Ein Teil des Landes ist Schutzgebiet, Recanto Ecologico de Rio Prata. Das Toilettenwasser wir recycelt, der Müll getrennt, es gibt kein Plastikgeschirr. Und man darf auch gesponserte Bäume pflanzen…

Auf der Nutzfläche wird ökologische Tierhaltung betrieben, wir sind gerade durch die ausgedehnten Weiden gefahren. Aber für die Landwirtschaft braucht man nur sechs Angestellte, für die verschiedenen Touristen-Touren per Pferd oder zum Fluß und See arbeiten 40 Menschen. Die Gewinne dienen in die Ökowirtschaft und Naturschutzmaßnahmen. Nicht, dass ich der Illusion erläge, dass die Besitzer der Fazenda nichts von all dem hätten – aber immerhin ist hier einiges ernstgemeint.

Leider hat sich heute unsere Kamera verabschiedet und wir haben nur noch die Handys, die mit dem Klima hier auch nur schlecht zurechtkommen und nicht eben zuverlässig sind. Und zur Tour können wir ohnehin nichts außer trockene Sachen mitnehmen.

So kann ich bedauerlicherweise nicht bildlich belegen, wie sich eine Touristengruppe mit einigen sehr beleibten Teilnehmern flugs in Teletubbies verwandelt – dank der kleidsamen Tauchanzüge, für die drei Kilometer Schnorcheltour . Bei zweieinhalb Stunden Aufenthalt im Wasser könnte es sonst doch etwas kühl werden. Außerdem sollen die langärmligen und kurzbeinigen Neoprenkondome gegen die Sonne schützen, die so gar nicht kooperativ mit dem Sonnenschutzmittel-Verbot umgeht und einfach gnadenlos auf die driftenden Körper herunterknallt. Unsere kuriose kleine Truppe könnte wirklich viel Freude auf Youtube oder in einem der alten Louis de Funes-Filme auslösen, so wie wir daherwatscheln. Und das lustigste ist, wir müssen, so angetan, erstmal drei Kilometer durch den Wald zum Fluss wandern.

Immerhin haben wenigstens die gefräßigen Moskitos nicht sehr viel Angriffsfläche auf die ungeschützte Haut. Aber der Herr mit dem wirklich gigantischen Bauch hinter mir erträgt das Prsswurstgefühl nicht und macht seinen Reißverschluss auf, so dass nun aus dem offenen Spalt das volle Leben heraushängt. Die Mosquitos haben ein All-You-Can-Eat Buffet. So ist also die Freude der Teilnehmer an der prallen tropischen Natur um uns herum sehr ungleich verteilt.

Am Fluss angekommen gibt’s erstmal in einem kleinen See, der sich hier gebildet hat, Schnorcheltraining für Anfänger. Einige sind recht verzweifelt angesichts der Aufgabe, unter der Taucherbrille nicht mit der Nase zu atmen, da sonst das Wasser eindringt. Andere paddeln hektisch und aufgeregt, als ob sie ertrinken müssten, obwohl es schon im Taucheranzug ohne Schwimmweste (die einige zusätzlich tragen) nicht möglich ist, auch nur einen halben Meter unterzutauchen. Aber irgendwann packen es dann alle halbwegs und es kann losgehen.

Auch hier wieder herrlich klares Wasser, neugierige Fische, wehende Wasserpflanzen und eine sanfte Strömung, bei der man eigentlich fast nichts tun muss, außer die Richtung etwas zu kontrollieren – sofern man/frau es eben schafft, dem Wasser zu vertrauen.

Aber es gibt sogar drei junge Menschen, denen es nicht in den Sinn kommt, dass man sich nicht in Trööt-Brrr-UUUUmpf-Dröhn-Sprache durch die Schnorchel unterhalten muss, sondern einfach den Kopf heben und das Ding aus dem Mund nehmen kann, wenn man etwas zu sagen hat. Tja, wir Menschlein sind schon manchmal komische Tierchen….

Aber all dieser Getratsche möge der Unterhaltung dienen. Fakt ist: diese Tour ist ein wunderbares Erlebnis und es bleibt viel Zeit, um sich einfach verträumt der vorbei schwebenden Unterwasserwelt hinzugeben.

Der Mann von der Reiseagentur hatte uns fröhlich viel Spaß mit der Anaconda gewünscht. Haha, du kleiner Scherzkeks…dachte ich. Allerdings wird mir im Nachhinein ganz anders als er uns am Abend nach dem Ausflug bei einem zufälligen Treffen seine Fotos von seiner tatsächlichen Begegnung mit einem 8 Meter-Exemplar (!) auf dieser Tour zeigt. Die Riesenschlangen belieben wohl mit ihren Beutetieren in den Fluss abzutauchen, damit sie schneller sterben. Und die Versicherung, dass die überhaupt nicht angreifen hätte mich im Ernstfalle kein bisschen beruhigt, ich hätte wahrscheinlich eine Panikattacke erlitten. Aber wie gesagt, das alles wusste ich während der Tour noch nicht und fand alles super entspannt.

Nach einem weiteren Spaziergang durch den Wald stoßen wir dann wieder auf den Jeep mit unsren Sachen. Umziehen – und ganz, ganz schnell das nun endlich erlaubte Mosquitospray auftragen! Aber die hungrigen Vampire sind schneller und jeder nimmt juckende Erinnerungen mit nach Hause. Zum Glück scheint keiner unter Zika-Panik zu leiden. Diese Region hat nämlich einige Fälle zu verzeichnen, aber wohl nur in den Städten.

Auf der Station erwartet uns ein weiteres ebenso reichliches wie gutes Mittagessen. An dieser Stelle ist es mir ein Bedürfnis, dies noch einmal zu sagen: brasilianisches Essen ist wirklich lecker. Und ich glaube fast, ich habe mich inzwischen so an die täglichen Feijao (Bohnen) als unverzichtbarer Beilage gewöhnt, dass ich sie in Deutschland vermissen werde. Danach ein Nickerchen in der Hängematte – herrlich.

Theoretisch könnte man jetzt noch hoch zu Pferd eine Tour machen – nicht aber wir: wir sind im Stress, denn auf uns wartet noch ein wichtiger Termin in Bonito: Klettertraining.

Doch was es damit auf sich hat – das verrate ich im nächsten Blog. Cliffhanger nennt man das…..

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