3. Stormy City

Es ist nicht leicht, eine Stadt wie Kapstadt überhaupt kennenzulernen. Oder auch nur ein Gefühl dafür zu bekommen, was für eine Stadt das überhaupt ist. Eine Stadt mit so vielen Facetten, so vielen grundverschiedenen Vierteln, von denen viele eigentlich selbstständige Orte sind, dass sie sich jedem klaren Eindruck verweigert. Nach zwei Tagen hatte ich nicht die mindeste Idee davon, wie ich diese Stadt beschreiben sollte. Kein Gefühl. Viele Eindrücke, aber nicht DEN Eindruck. So war es nur logisch, dass nun endlich ein Tag innerhalb der City kommen musste.

Frühstück in der Old Bisquit Mill, eine alte Keksfabrik, in der es Kunst, Kommerz und Restaurants gibt. Wie wir festellen, ein angesagter Treff vorallem für (viele deutsche) Touristen, wo es Läden, Cafés und einmal wöchentlich einen Foodmarket gibt. Chic. Wir sind nur hier, weil immer noch alle im Weihnachtsurlaub sind und in unserem Viertel fast alles geschlossen ist. Die Old Bisquit Mill: Kann man, muss man nicht …

Nach einem leider notwendigen Ausflug ins Glitzer-Shopping-Paradies an der Waterfront, das so aussieht wie überall auf der Welt, fahren wir durch die supermoderne Innenstadt mit vielen Hochhäusern und begrünten Plätzen durch Gegenden, die ich nun eher als zusammenhängendes Großstadtgebiet erkennen kann. Unser Ziel ist das Viertel Bo-Kaap.

Ein altes Viertel, das einst als Garnison für Soldaten erbaut wurde, und dessen kleine Häuschen später von freigelassenen Sklaven bewohnt wurden. Bekannt ist heute für seine bunten alten Häuschen. Das Interessante ist, das ein Teil davon jüdisch, der andere muslimisch ist und beide Teile sich überlappen. So eine Art friedlich, fröhliche Mini-Allegorie auf den Gaza-Streifen. Und natürlich ist das Viertel bergig wie die ganze Stadt. Ein wirklich hübscher Anblick, all die kleinen bunten Straßen mit den riesigen Tafelbergen im Hintergrund.

Wir haben das Glück, dass wir gerade einen der schwarzen Karnevalsumzüge erleben. Die finden hier in einigen Vierteln zum Jahresanfang statt. Eigentlich nicht offiziell zugelassen, aber als Demonstration schwarzer Stärke trotzdem veranstaltet. Verglichen mit den großen Karnevalsumzügen der Welt sind sie nichts, aber trotzdem lebensfroh und symbolträchtig.

Wir folgen dem Zug bis zur großen St. George Cathedral, die gleich gegenüber einem der ältesten Häuser der Stadt liegt: die Iziko Slave Lodge von 1660. Hier waren einst bis zu 1000 Sklaven untergebracht, später es war u.a. Puff, Gefängnis, Irrenanstalt und mehr. Heute ist es ein Museum über die Sklaverei. Besichtigen dürfen wir es leider nicht mehr, die Schließzeiten sind hier extrem früh.

Wir spazieren noch ein bisschen weiter und stöbern auf dem kopfsteingepflasterten Green Market herum, der einheimisches Kunsthandwerk anbietet – allerdings von wesentlich besserer Qualität und interessanter als nur der übliche Touristenkitsch.

Unser Rückweg führt dann durch die Longstreet , DER Ausgehmeile für Touristen und Einheimische gleichermaßen. Eine breite Straße, deren Gebäude mit verschnörkelten Kolonaden und Balkonen mich ein wenig an New Orleans erinnern. Das ist sowieso so eine Sache: In Kapstadt findet man viele Städte wieder: ein bisschen Schottland, England, USA (Nord- und Südstaaten) Südamerika, Holland – es gibt hier alles.

Fußlahm und durchgefroren (!) machen wir uns auf dem Rückweg. Ja, tatsächlich durchgefroren, denn heute war es richtig stürmisch und da die Temperatur auf 19 Grad gesunken war, war es auch richtig kalt. Kapstadt sollte eigentlich das Wort „Wind“ im Namen tragen!

Eine heiße Dusche und schon geht das süße Leben weiter: Abendessen in unserem immer interessanter werden Viertel : im Jamaica Me Crazy in der Roodebloem Street. Lieber loneley planet, du weißt viel, aber das Lokal fehlt definitiv! Ein richtig netter Laden in einem zweistöckigen Haus, natürlich mit Raeggae Musik, netten Rastajungs als Bedienung und vorallem: phantastischem Essen zu vernünftigen Preisen. Jamaicanisch, Cajun und mehr. Ein angenehmes Abendessen zu viert, diesmal in Gesellschaft eines charmanten Studenten aus Simbabwe. Jamaikanisch essen, südafrikanischen Wein trinkend, panafrikanische Gesprächsthemen – ein passendes Ende für wieder einen guten Tag.

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