4. Die Mühen des Aufstiegs

Endlich sind die toten Feiertage nach Neujahr vorbei und unser Viertel erwacht auch in gastronomischer Hinsicht … Die Bäckerei, besser das Café New Brighton Bakery um die Ecke hat geöffnet! Nicht mehr länger ein Frühstück suchen! Netter Laden mit großem Angebot. Und – alles total Halal, also schweinfrei und somit für Muslims koscher (doofer Witz, ich weiß…) In der Küche schwarz und weiß nebeneinander und auch das Publikum gemischt, wenn auch colored /muslimisch dominiert. Wirklich nett und alles sehr gut! Der Tag fängt gut an.

Ich mache noch einen kleinen Spaziergang zu Woodstock Exchange, der Hip-Kunst-Mall, weil es dort WLAN gibt, und ich mein Blog auffrischen möchte. WiFi ist hier eher selten zu finden. Ich bin ein kleines bisschen verunsichert, so allein mit Computer unter dem Arm, denn mein Weg führt durch eine etwas schäbige Nebenstraße, aber alles gut, nix passiert.

Eigentlich waren heute mehrere Programmpunkte geplant …aber alles kommt anders. Zuerst wollen wir auf den Tafelberg – ein must für Kapstadtbesucher. Schließlich gehört er zu den offiziellen 7 Naturweltwundern. Auch als gelegentlicher smartphone-Muffel muss ich spätestens jetzt zugeben: Gott sei Dank gibt es gps! Die Straßenführung in Kapstadt und die Orientierung fordert den Ortsunkundigen wirklich!

Mit unserem lieben Klapperkasten machen wir uns also auf Richtung Tafelberg, 1085m über NN. Aber schon bald stecken wir fest. Und das ist auf den engen, serpentinenartigen Straßen mit diesem Auto wirklich eine Herausforderung und ein Kraftakt, da die Handbremse nur noch funktioniert, wenn sie mit Gewalt gezogen wird und die Kupplung ein Witz ist. Bald stinkt es beunruhigend nach Kupplung und Gummi. Aber irgendwie schaffen wir es, fast jedenfalls, denn die letzte Zufahrtsstraße zur Basisstation der Seilbahn ist wegen Überfüllung gesperrt. Also irgendwo Auto an den Hang quetschen und zum Shuttle. Riesenschlange. Wir schnappen uns aber schlau ein Taxi, das von oben zurückkommt, und glauben nun schnell ans Ziel zu kommen. Allerdings ist das Bild, das sich uns an der Station bietet, furchteinflößend. Mehrere hundert Meter Schlangen – mit und ohne Ticket. Und sengende Sonne.

Am stürmischen Tag zuvor ist die Seilbahn nicht gefahren, alle Besucher sind heute wiedergekommen, außerdem ist Ferienzeit. Angeblich dauere die Wartezeit anderthalb Stunden, versichert ein Security-Mann. Angesichts unserer ablaufenden Zeit in Kapstadt und des phänomenalen Wetters und Weitblicks beschließen wir zu bleiben. Schicksalsergeben anstehend verlieren wir jedes Zeitgefühl…es dauert Stunden! Aber irgendwann ist der Zeitpunkt zum Aufgeben überschritten. Zur fortgeschrittenen Nachmittagsstunde dürfen wir dann endlich in die Gondel, die beeindruckend steil und schnell auf die Bergkuppe zurast. Was für ein Anblick! Da vergesse ich doch glatt meine Höhenangst!

Oben angekommen wird klar, dass der Tafelberg zurecht seinen Namen hat, denn man steht auf einem ausgedehnten, fast flachen Hochplateau. Seine ungewöhnliche Form hat es, weil das, was nun ganz oben auf dem Bergrücken ist, weit zurück in der Erdgeschichte, wohl eigentlich das Tal zwischen zwei mächtigen Bergmassiven war.

Die Menschenmassen verteilen sich erstaunlich gut und 200 m von der Station entfernt ist von Masse keine Rede mehr.

Von den steil abfallenden Rändern des Plateaus hat man in alle Richtungen wirklich atemberaubende Blicke: auf die Stadt, das Meer, die Berge, das Kap der guten Hoffnung. Der Anblick des Fussballstadions vom Worldcup weckt in mir sofort akustische Erinnerungen an endlose Vuvuzelas….

Aber auch das Plateau selbst ist wunderschön mit seinen zwar nicht besonders hohen, aber verrückten kleinen Felsfiguren, umwachsen von vielen, z.T. farbenfrohen Bergpflanzen und Büschen. Es hat sich wirklich gelohnt. Allerdings haben wir definitiv zuviel Sonne abbekommen in den vergangenen Stunden. Und obwohl es noch gestern  kühle, stürmische 19 Grad waren, ist das Thermometer jetzt deutlich über 30 Grad geklettert und es gibt keine Wolke am Himmel.

Ich sehe aus wie ein Muslima mit meinem Tuch, dass ich als Hidschab um Kopf und Schultern trage, aber das fällt hier ohnehin nicht auf – Muslims gibt es hier viele. Aber wenigstens habe ich etwas auf dem Kopf….

Auch der Rückweg erfordert wieder Schlange stehen, aber was sind lächerliche 45 Minuten?! Man kann übrigens auch auf den TableMountain hochwandern, aber das ist dann doch schon ziemlich anspruchsvoll und angesichts der Hitze und schattenfreier Pfade hier oben an felsigen Hängen eine schweisstreibende Vorstellung.

Der Tag ist so gut wie vorbei, als wir wieder im Tal sind. Wir stürzen uns noch kurz am Glen Beach, einem breiten Strand mit einer restaurantgespickten Promenade, ins eisige Meer, um die Hitze und den Schweiss abzuspülen. Aber eins muss an dieser Stelle gesagt werden: Das geht echt nicht mit den Wassertemperaturen! Die Füße schmerzen schon bei der geringsten Berührung mit dem Wasser. Und länger als drei Wellen ist es auch für Helden des Strandes im Wasser nicht auszuhalten.

Noch ein Bier mit Blick auf den Tafelberg und der Tag ist nun tatsächlich, trotz Warte-Horror, eine phantastische Erinnerung .

Bleibt das abendliche Ausgehen. Diesmal werden wir nach Observatory, hier einfach nur Obs genannt, entführt. Ein In – Bezirk, aber der angenehmen Art: alternativ, schräg, sophisticated. Das Ausgehviertel ist quirlig, gemütlich und sieht schon wieder ein bisschen wie New Orleans aus. Kleine Läden, Second Hand Shops, Cafés, Kneipen, Restaurants.

Nathalie führt uns ins beliebte Café Ganesh. Viele junge Leute, aber auch Menschen über 35, mehr schwarz als weiss, eher gebildet. Viele der Volunteers aus Europa, die in Hilfsprojekten arbeiten, gehen gern mal hier in Obs aus, um mal was anderes zu sehen als die trostlosen Townships oder ihre engen Wohngemeinschaften. Einige haben nicht mal ein Zimmer außerhalb ihres Arbeitsplatzes und schlafen z.B. direkt im Waisenhaus. Einzelzimmer hat übrigens keiner von all den jungen Leuten, die wir hier inzwischen gesprochen haben.

Das Ambiente im Ganesh ist dunkel, abgerissen, künstlerisch, schräg. Das Essen eine Mischung aus lokaler, indischer, türkischer und asiatischer Küche. Wieder ein sympatischer Ort, an dem dieser lange Tag zu Ende geht. Draußen frischt der Wind wieder auf, vergessen die Hitze des Tages.

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