1 – Zitronen? Mafia? Sizilien!

Sizilien! Palermo! – Für mich immer verschlagen blickende Männer mit Schlapphüten, dicken Zigarren, im Korbstuhl unter Zitronenbäumen, eine Uzzi … Mafia – ja und auch Robert de Niro, der Pate. So etwa sah meine Vorstellung von Sizilien aus, wenn ich nicht genug Zeit hatte, nachzudenken und eine politisch korrekte Vorstellung zu formulieren.
Aber was ich sehe, nachdem ich über das kleine Rollfeld in das eher bescheidene Empfangsgebäude des Flughafens Palermo – Aeroporto Internazionale di Palermo Punta Raisi “Falcone e Borsellino”, das ist eher enttäuschend. Eine Halle, bei der die Kabel ohne Verkleidung aus der Decke hängen, abgewetzte Gepäckbänder, ein einziger Kaffee- und Imbisstand und eine nicht nennenswerte Empfangshalle. Und es macht die Sache nicht besser, dass ich über zwei Stunden hier herumsitzen muss, bis der Shuttle zu meinem Hotel an der Nordostküste fährt… Ich bin einfach ungeeignet für Pauschalreisen. Aber Corona bringt mich dazu, sicherheitshalber diesmal auf diese Weise zu reisen.
Endlich kommen die Mitreisenden mit der Maschine aus München an – sie alle wollen nach Cefalú, das liegt auf der halben Strecke, nur ich tanze aus der Reihe. Aber als Zugeständnis an meinen Anti- All-Inclusive- Geschmack habe ich mir ein Agriturismo Hotel in den Bergen beim Städtchen Gioiosa Marea ausgesucht. Gemütlich, idyllisch mit Blick auf das Meer, keine Massenabsteige, aber eben nicht am Strand.
Als wir losfahren, ist das Wetter umgeschlagen, es regnet in Strömen. Trotzdem gefällt mir, was ich sehe: hohe, schroffe Berge mit felsigen Kuppen, an deren grünen Fluss sich Dörfer mit eher kleinen Häusern kuscheln. Olivenbäume, Pinien, Zypressen und Palmen. So, wie man sich – bei näherer Überlegung – Sizilien vorstellt. Ein paar Kilometer weiter streifen wir Palermo. Leider nicht die historische Innenstadt , sondern eher etwas uninteressantere Randbezirke. Aber ich habe schon hässlichere Suburbs gesehen.
Palermo liegt hinter uns, wir fahren immer an der Küste entlang, das Mittelmeer präsentiert sich allerdings regengrau, statt blau. Viele langgestreckte Buchten und Halbinseln, es ist wirklich eine sehr schöne Küste. Die hohen Berge sind nun etwas kleiner geworden, gefälliger, bis oben grün und bewaldet. Die Ortschaften sehen nicht spektakulär, aber ganz gemütlich aus. Meistens viereckige Häuser, kaum höher als zwei bis drei Stockwerke, fast immer gibt es einen Garte, blühende Bäume und Blüten überall. Alles sehr grün. Der Flughafen ist vergessen – ich mag, was ich sehe.
Immer öfter taucht der Kleinbus in Tunnel ein, die uns durch die Berge führen, die fast bis ans Meer reichen. Noch näher an der Küste als wir fahren, führt eine Zugstrecke nach Messina, das ist eine bekanntermaßen gängige und schnelle Art hier zu reisen. Die Dämmerung bricht herein, es regnet immer noch. Die Tunnel werden immer länger. Nach gut einer Stunde verlassen wir die Autobahn und biegen nach Cefalú ab, einer bei Touristen wohl sehr beliebten Stadt wegen der schönen Strände und der für den Autoverkehr gesperrten historischen Innenstadt. Allerdings bekomme ich davon nichts mehr zu sehen. An einer Tankstelle hält der Bus und ich werde umgeladen in einen schwarzen Dacia. Für nur eine Person fährt der Kollege den Rest der Strecke mit mir.
Ein dicker gemütlicher Sizilianer ist jetzt mein Fahrer, allzuviel reden können wir nicht, er spricht nur ein paar Worte Englisch und mein Spanisch versteht er auch nur in etwa. Einen schönen Sonnenuntergang, auf den ich gehofft hatte, gönnen mir die dichten Wolken nicht. Aber ich hätte wohl auch nicht viel davon gesehen, wir fahren jetzt durch immer neue, oft Kilometerlange Tunnel. Zwischendurch genieße ich den Blick auf die glitzernden Lichter der Orte in den Bergen. Und erfahre dann, dass die großen Inseln, die ich im Abenddunst weit draußen entdeckt habe, die äolischen Inseln sind, Vulkaninseln. Die bekannteste ist Stromboli. Mein Fahrer sagt, ich solle hinfahren, schnell, denn in einigen Tagen endet die Saison. Guter Tipp.
Endlich biegen wir, nun schon im Dunklen, im Städtchen Patti ab, das eher unspektakulär wirkt, bei dem Wetter sind auch kaum Menschen zu sehen. Ab jetzt geht es in die Berge zum „Agriturismo Santa Margherita“. Eine enge, sich sieben Kilometer in die Berge schlängelnde , stockdunkle Serpentinenstraße bringt uns schließlich zur Einfahrt des Hotels. Der Beschreibung nach ein altes Landgut, das für Gäste ausgebaut wurde.
Ich Kämpfe mich mit meinem Trolli ein paar Treppen und holprige Wege hoch und ´runter, bis ich endlich am Haupthaus mit der Rezeption bin . Sieht ziemlich nett aus, eben so ein altes Landhaus, in dem außer der Rezeption noch das Restaurant und einige Gästezimmer untergebracht sind. Ich habe aber auch schon zwei im Olivenhain versteckte Bungalows in der Dunkelheit ausgemacht. Und das allerschönste: Ich stehe plötzlich auf der dunklen Terrasse vor dem alten Herrenhaus neben einem Zitronenbäumen und blühender Bougainville und sehe vor mir eine glitzernde Bucht… und ich höre das Meer rauschen, bis hier! Die Welt ist schön!
Eine nette, gut englischsprechende Rezeptionistin empfängt mich – mit Mundschutz natürlich, Italien hat Corona das Fürchten gelehrt– und teilt mir mit, dass ich den Bungalow direkt am Pool habe. Besser geht es nicht. Sie erzählt mir noch, dass das Gelände sehr groß ist, was in der chwarzen Dunkelheit nicht zu erkennen ist, und fährt mich in einem kleinen Bogen mit dem Auto, da ich mit dem Gepäck die rund 300 Meter über Treppchen und Sandwege gehen müsste. Die ganze Anlage ist relativ steil in den Berg gebaut, mit Terrassen, Treppchen und Pfaden.
Der Holzbungalow ist wohl schon einige Jahre alt und ist eigentlich ein 4-Bettzimmer. Sieht alles eher nach Berghütte aus. Mit egal. Es ist sauber. Liegt neben dem Pool… ich suche mir das Doppelbett in der Mitte aus. Die Einrichtung ist ein bisschen abgeschrappt und zusammengewürfelt und … „etwas italienisch“…(sorry): Von insgesamt sechs Lichtschaltern funktioniert einer, ebenfalls nur eine Steckdose, bei der Hightech-Duschkabine im Bad (mit vielen Finessen) funktioniert gerade mal die Handdusche Das Badezimmerfenster lässt sich nicht öffnen, weil es von der Duschkabine einen Zentimeter überragt wird. Und den Kühlschrank verkeile ich schräg an der Wand, damit er aufhört, laut zu brummen.
Aber es bleibt dabei: Die Welt ist schön. Vor meiner Tür steht eine Bananenstaude mit Früchten, Olivenbäume, dahinter glitzert der (leider schon geschlossene) Pool auf einer herrlichen weiteren Terrasse mit Blick auf die Küste.
Was nun noch bleibt an diesem ersten Tag, ist das Abendessen, für das man sich nach Bedarf, anmelden muss, was ich beim Einchecken getan habe. Mit einer Lampe ausgerüstet mache ich mich auf den Weg, der sonst Knöchel-gefährdend wäre. Ich springe wie ein aufgeschreckt Huhn in einen Olivenbaum, als plötzlich in der Dunkelheit neben mit ein Esel laut schreit. Uff…Aber der hat sich bestimmt genauso erschrocken.
Heute findet das Abendessen wegen des vorausgegangenen schlechten Wetters im Restaurant statt, bei gutem Wetter wohl auf der Terrasse. Da ich allein bin, bekomme ich einen Einzel-Tisch in einer Ecke. Macht nichts, ich habe eine guten Blick auf das Restaurant. Das Publikum ist überwiegend italienisch, aber ein paar Ausländer sind auch dabei. Die Lautstärke ist beachtlich, das Klischee stimmt, nur eine laute Unterhaltung ist eine gute Unterhaltung….
Hier wird nicht gefragt, was der Gast möchte, sondern der Kellner kommt und stellt hin. Es gibt, was es gibt. Man kann sich lediglich bezüglich des Umfangs entscheiden zwischen Vorspeisen + Wein und Wasser oder einem 2, 3 oder 4-Gänge Menü, der Unterschied sind ganze 6 Euro. Das Leben ist kurz – ich nehm alles. Eigentlich reichen die verschiedenen sehr leckeren Vorspeisen schon, aber ich mache tapfer weiter mit Gemüse-Kräuter-Risotto, Hähnchen-Teig-Rouladen, Salat und einem gigantischen Nachtisch á la Protfiterole mit Schokocreme und Sahne. Dass die gratis Flasche vom extrem leckeren und gefährlich süffigen hauseigenen Syrah fast alle ist – habe ich gar nicht bemerkt . Erst auf dem Weg zu meiner Hütte…
Nach dem etwas holprigen Start und einem langen Anreisetag, verspricht es ein schöner kurzer Urlaub zu werden. Auch ohne Al Capone & Co.