Die Hitze lauert bereits vor dem Fenster, als ich ausgeschlafen habe. Obwohl ich nur einen Lichtschacht mit irgendwelchen Gerümpel sehe, statt des beworbenen Meerblicks…. Ich habe gut geschlafen, bin aber auf Krawall gebürstet wegen der enttäuschten Erwartungen. Also begrüße ich die Rezeptionsfrau höflich und frage nach einem anderen Zimmer, das der Anzeige gerecht wird . Sorryyy, madaaaam. We are fuuull! This (bedauerndes Schulterzucken): booking-com-room…( erneutes Schulterzucken). Ich koche…
Ich erkläre ihr mein Problem mit dem krassen Unterschied von „gewählt und bekommen“, darauf bietet sie mir an, nur eine Nacht zu berechnen, wenn ich innerhalb einer Stunde ein neues Quartier finde und auschecke. Also stürze ich los, da ich sicher bin ich, dass das ein Leichteres sei bei den vielen Guesthouses und Hotels.
Auf diese Weise absolviere ich eine erste Sightseeing Runde durch mein quirliges Viertel, das direkt am Meer liegt. Hunderte Massage-Salons, Restaurants, Maßschneider, die in kürzester Zeit neue edle Outfits schneidern, Galerien und sonstige Läden. Die kleinen Gassen sind mir irgendwie vertraut und symphatisch: bunt, etwas heruntergekommen, aber dann wieder liebevoll mit kunterbunten, oft goldglitzernden Hausaltären versehen. Überall stehen Fahrräder und Motorräder, Gerümpel stört hier sowieso niemanden. Früchte und Krabben werden auf Tüchern getrocknet, die kleinen frischen Blumengebinde für den täglichen Schutz machen alles fröhlicher. Und überall Katzen und friedliche Hunde.
Aber so richtig genießen kann ich es nicht, mir klebt alles am Leibe und meine Stunde läuft unerbittlich ab. Es ist nicht nur Hochsaison, sondern auch ein verlängertes Wochenende. Überall besetzt. Als ich es fast aufgeben will, finde ich ganz in der Nähe schließlich doch ein Guesthouse, die Mandarin Lodge.
Ein charmanter ladyboy an der Rezeption findet noch ein Zimmer: Ich sehe es und bin happy. Also zurück zum Hotel, auschecken in letzter Minute. Als ich samt Gepäck wieder zurückkomme, ist die Chefin in der Rezeption: Sorry, mistake, this room is booked!….Waaas?? Aber sie kann mir ein sehr teures Zimmer für eine Nacht anbieten oder ein…etwas einfaches…. Also notgedrungen dann das einfache: groß, sauber, alt, dunkles Holz, keine Fenster, nur Läden. Brutheiß. An der Decke bemühen sich altersschwache Ventilatoren schrappend um etwas frische Luft. Und das mir… Zugluft, oh Gott!
Egal, ich will mir den Tag nicht verderben lassen. Ich mache mich auf, um zu einer der Sehenswürdigkeiten Hua Hins -natürlich einem Tempel-zu fahren. Ich entscheide mich angesichts des chaotischen Verkehrs, kein Motorrad zu mieten, sondern mit einem Sammeltaxi zu fahren, einem Song Thaew. Man winkt es an der Strecke ab. Ich frage mich bis dahin durch und finde auch einen Platz in dem altersschwachen Modell.
Diese Beförderungsart ist super billig, hat aber den Nachteil, dass man wissen muss, wo diese Linientaxis langfahren und wo man ein- und aussteigen will. Es sind offene Pick Ups mit einem Sonnendach und zwei Bänken, aber meist sind sie so voll, dass auch hinten auf dem Einstieg noch Leute auf den Stufen stehen und sich gut festhalten müssen.
Das Auto ist nach kurzer Zeit knallvoll, hinten fallen die Leute fast runter, aber das regt keinen auf. Die Song Thaew sind ein demokratisches Verkehrsmittel: Einheimische benutzen sie genauso wie Touristen. Die hübschen bunten, laut knatternden und stinkenden TukTuks hingegen werden meist nur von Touristen genutzt. Oder man nimmt sich ein Taxi – die teuerste Variante.
Mein erstes Ziel ist der Tempel Wat Khao Krailart. Er liegt auf der Spitze eines bewaldeten kleinen Berges am südlichen Ende von Hua Hin. Rund 130 hohe Stufen muss man erklimmen, auf denen einem etliche Hunde und Katzen begegnen. Traditionell füttern die Mönche immer Streuner, die dann natürlich gern bleiben. Oben angekommen umfängt mich eine unglaubliche Stille, obwohl hier und da einige Mönche an den Gartenanlagen arbeiten.
Zum Tempel gehören mehrere Gebäude – alles kleine Tempel für sich. Bunt und gold glitzernd liegen die einzelnen Gebäude über die Bergkuppe verstreut, eine riesige Goldene Buddha-Figur blickt ins Tal. Es herrscht eine friedliche Stille, über der Anlage: Ein terassenförmiger Garten mit einem kleinen Teich, alte blühende Bäume, schlafende Tiere und immer wieder glitzernde Stauen und Tempelgebäude. Und zur Krönung: ein wunderbarer 360 Grad-Blick über Hua Hin und das Meer.
Der Haupttempel ist gerade wegen des Gebets der Mönche geschlossen, aber ein anderer ist offen. Ich habe ihn ganz für mich und kann den farbenprächtigen Raum, den Blumen geschmückten Altar und die friedliche Stille auf mich wirken lassen. An den Wänden sind Gleichnisse und -zum Teil- blutrünstige, aber auch lehrsame Geschichten dargestellt. Gleichnisse, wie es es sie – anders – auch in der Bibel gibt.
Es ist herrlich kühl hier im Schatten, mein Körper erreicht wieder Normaltemperatur. Ich wandere noch ein wenig herum und mache mich an den Abstieg. Gefühlt sind es jetzt wieder 40 Grad, schon wieder schweißüberlaufen wanke ich ins nächste Restaurant und kühle mich mit einer eisgekühlten grünen Kokosnuss ab. Wo ist der Strand?? Irgendeiner! Bitte!
Ich finde den nächstgelegenen nach 10 Minuten Fussmarsch: eine langgestreckte Bucht, feiner Sand, blaues Meer. Ich reiße mir die Kleider vom Leib, um endlich ins Wasser zukommen. Herrlich! Auch der Blick die Küste entlang könnte schön sein, wären nur diese riesigen Hochhäuser und hässlichen seelen- und stillosen Betonklötze nicht…
Ich bitte eine nette Französin, auf meine gesammelte Habe zu achten, später kommen wir ins Gespräch – wenn man das so nennen kann: sie spricht nicht deutsch, ich nicht französich. Aber irgendwie gehtś. Sie fragt mich, ob ich mit ihr noch mal in die andere Richtung spaziere, hinter den riesigen Felsen rechterhand. Mit T-Shirt und Badehose gehen wir los, was mir dann irgendwann etwas unangenehm ist, da sich zeigt, dass auf der anderen Seite der Fischereihafen und der Fisch – und Meeres Früchte-Markt liegt. Aber von diesen Ausländern erwartet man nicht viel Etikette oder vernünftige Kleidung von uns, trotzdem fühle ich mich unwohl.
Neben den unendlichen Ständen mit blubbernden Aquarien mit Fisch, Hummern, Austern, Muscheln, Langusten, Krabben und……und…. und , stehen hier auch einige kleinere Restaurants und Wohnhütten. 20 m weiter schützt eine gigantische Betonmauer die Bewohner und Touristen des strunzhässlichen grauen Edelbeton-Komplexes mit schicken Appartments deren Bewohner vor dem Pöbel. Furchtbar! Oder, wie die Französin sagt: Bizarre!
Am Ende des Marktes habe ich die Auffahrt zum Wat Khao Takiap entdeckt, einem weiteren bekannten Tempel auf einem von Affen bevölkerten Berg. Der Plan steht: Zurück zum Strand, nochmal abkühlen und auf zur zweiten Tempelrunde, auch wenn ich schon ganz schön müde bin.
Tapfer laufe ich an den allgegenwärtigen neugierigen und immer hungrigen Makaken vorbei, die den Tempelberg als ihr Terrain betrachten. Nicht anschauen, habe ich gelernt, das könnten sie als Aggression verstehen… und die Zähne sehen gefährlich aus…
Der Weg führt steil bergan, gesäumt von blühenden Bäumen: Beaugainvillea in vier Farben , weißblühenden knorrige Wüstenblumenbäume und manch anderes, was ich nicht benennen kann. Etwas japsend erreiche ich die Bergkuppe und damit die Tempelanlage. Der Haupttempel erstrahlt in weiß, gelb, rot und Gold und drinnen hört man die Mönche jene seltsamen Sprechgesänge singen, die nie zu enden scheinen.
Aber es gibt noch ein paar weitere bunte kleinere, offene Altäre, Tempel und eine riesigen Gong. Und: am Ende einer weiteren, endlosen Treppe gen Himmel thront ein weiterer weißgoldener Tempel auf der Spitze des Berges. Der ist allerdings geschlossen. Trotzdem schleppe ich mich hoch, weil ich weiß, dass dieser Punkt eine der schönsten Aussichten über das Land und das Meer bietet. Und der Himmel färbt sich bereits rosa, bevor die Sonne untergeht.
Nun ist aber genug Kultur: Ich habe Hunger! Und was läge näher, als gleich auf dem Fresh Seafoodmarket Kao Takiap zu speisen! Inzwischen ist es dunkel, die Fischerboote schaukeln schlafend auf dem Wasser und die fröhlich beleuchteten Restaurants einiger Händler haben geöffnet. Unendliche Reihen angestrahlter Becken mit lebenden Meeres-Bewohnern warten auf ihr Schicksal-nur die Fische sind schon tot. Alles andere gibt’s auf Bestellung. Lecker, aber auch gruselig.
Ich suche mir einen Tisch auf der Holzterasse direkt über den Becken, da kann ich alles beobachten. Mich reizen die Lobster und vieles mehr – aber nachdem ich vor 15 Jahren in Vietnam beim Tauchen neben einer Lobsterfarm vom Wasserschlucken eine schwere Vergiftung von all den Medikamenten und Antibiotika hatte, traue ich mich nicht mehr, so etwas in Asien zu essen. Es ist vermutlich Unfug und hier vielleicht auch anders, aber… nee, geht nicht.
Ich bekomme einen riesigen Snapper vom Grill, extra für mich gemacht, gestopft mit Ingwer, Lorbeer, Chili und Kräutern . Wunderbar! Pappesatt und zufrieden lasse ich mich von einem Motorradtaxi nach Hause bringen. Den Gedanken an das scheußliche neue Zimmer habe ich verdrängt. Und: es gibt noch Wunder: Die Hotelchefin des Mandarin Lodge empfängt mich strahlend mit der Neuigkeit, dass die erwarteten Gäste nicht angereist sind und ich das schöne Zimmer Nr. 4 haben kann!
Nach dem verpfuschten Tagesbeginn ist es also doch noch ein spannender, wenn auch anstrengender Tag geworden! Raatri sawasdi! Gute Nacht!